Die Feldafinger Villenkolonie Nachdem König Max II. beschlossen hatte, in Feldafing ein Sommer- schloss zu bauen, ließ er bislang landwirtschaftlich genutzte Grund- stücke zwischen dem Seeufer und dem Höhenberg für die Anlage eines weiträumigen Schlossparks aufkaufen. Joseph Peter Lenné, der bedeutendste Gartenarchitekt der Zeit, wurde mit der Planung beauftragt. Da König Ludwig II. das Schlossprojekt seines Vorgängers fallenge- lassen hatte, war natürlich auch die Parkanlage mit ihrer vorgesehenen Nutzung nicht mehr aktuell. 1881 wurden die nicht unmittelbar zum eigentlichen Schlosspark gehörenden Flächen zur Verwertung frei- gegeben. Das betraf in erster Linie die zum Höhenberg aufstreben- den Hanglagen westlich der Straße. Diese Bereiche waren zugekauft worden, um sich vor möglichen Einblicken in die Schloss- und Park- anlagen zu schützen. Nachdem die Heilmann’sche Immobiliengesell- schaft, die vor den Toren Münchens bereits mehrere Villenkolonien projektiert und verwirklicht hatte, 1897 ein Angebot über 250.000 Goldmark abgegeben hatte, wurde der Kaufvertrag unterzeichnet. Anschließend wurde das Gelände erschlossen und in 34 Parzellen unterschiedlicher Größe (zwischen 4000 und 70.000 m2) aufgeteilt. Die Nachfrage nach den außerordentlich attraktiven Bauplätzen lief gut an: 1899 war bereits ein Drittel der Parzellen verkauft. Wegen der hohen Grundstückspreise kamen sie freilich nur für Bauherren aus dem Großbürgertum infrage. Der Präsident der Industrie- und Han- delskammer Otto von Pfister und der Druckereibesitzer Gerber waren 1899 die ersten Bauherren. Ihnen folgten der Advokat Dr. Hermann Pemsel und Dr. Martin Arendt auf den umfangreichsten Grund- stücken im Bereich des Eichgrabens. In rascher Folge schlossen sich im oberen Teil des Höhenberges die großen, sehr repräsentativen Villen für Sigmund Bergmann (Inhaber der Bergmann Elektricitäts- werke Berlin, 1903), für den Bankier Bernhard Schuler (Villa Wald- berta, 1901), für den Architekten Heinrich Lempuhl (1903), für den Fabrikanten Victor Hutschenreuther (1903), für den Brauereibesitzer Joseph Pschorr oder den Kammersänger Fritz Feinhals an. Mit den etwas späteren Villenbauten für den Kunsthändler Otto Bernheimer (1912), für den Chemiker und Verleger Dr. Hans Carl (1912) oder den Rentier Emil Kniep waren die entstandenen Häuser bereits zu einem geschlossenen Quartier zusammengewachsen. Gleichzeitig setzte sich die Bebauung, an die Parkanlagen von Pem- sel und Arendt anschließend, nach Süden hin fort mit den Villen für Admiral von Tirpitz, Graf Einsiedel und den Berliner Bankier Fritz Andreae, um in der großartigen Villa Seewies ihren Abschluss und Höhepunkt zu finden. Damit war eine Villenkolonie entstanden, die innerhalb der bedeutenden Villenlandschaft am Starnberger See noch einmal eine gewaltige Steigerung bedeutete. Die Häuser bilde- ten trotz ihrer sehr individuellen Gestaltung eine Einheit und boten in ihrer Vielfalt einen eindrucksvollen Querschnitt durch die Architektur der Zeit. Schließlich waren mit Eugen Drollinger, Franz Rank, Gustav von Cube, Franz Mayr, Georg Baierle oder Richard Riemerschmid namhafte Architekten mit den Entwürfen befasst. Gleichzeitig mit den Villen wurden die zugehörigen Garten- und Park- anlagen angelegt. Die starke Hanglage stand einer raumgreifenden Gestaltung nach englischem Vorbild im Weg. Die Details fügten zu einer eher gedrängten, intensiven Gestaltung, wobei die Hang- situation geschickt für Aussichtspunkte, Treppenbildungen und malerische Staffelungen der Bepflanzung genutzt wurde. Ein gutes Beispiel dafür bietet noch die Gartenanlage der Villa Waldberta. In den meisten Fällen wurden die Gärten mit Bäumen und Sträuchern zu einem mehr oder weniger intimen Grünraum gestaltet, zu dem man über die allseitig angeordneten Balkone und Veranden in Bezie- hung treten konnte. Ziel war eine spannungsvolle Wechselwirkung zwischen Architektur und Natur. Die bereits von Lenné geplante Bepflanzung wurde in die Konzepte einbezogen; die mittlerweile hochgewachsenen Bäume, die auf vie- len Grundstücken bis heute überlebt haben, setzten kraftvolle Akzen- te. Vor allem wurden die von Lenné als Abschluß des Höhenberges und als Markierung des Horizonts gedachten Gruppen von Schwarz- kiefern übernommen. In den Gärten der Villen Carl, Waldberta und Gerber sind sie glücklicherweise bis heute erhalten. In den folgenden Jahrzehnten, vor allem im Zuge der Besetzung der Villen für die nationalsozialistische Eliteschule sowie des zuneh- menden Baubooms in der Nachkriegszeit, hat diese in Deutschland einzigartige Villenkolonie kontinuierlich an Substanz und Qualität verloren. Zahlreiche wertvolle Villen und Landhäuser wurden bereits abgebrochen, viele durch unsensible Umbauten und Modernisierun- gen mehr oder weniger stark entwertet. Hinzu kommt, dass inzwi- schen entstandene Neubauten in den seltensten Fällen den gestalte- rischen Anspruch des gewachsenen Ensembles erfüllen. Gleichzeitig hat die starke Verdichtung das ursprüngliche Bild zahl- reicher Gartenanlagen zerstört und die für Landhäuser so wichtigen Grünräume teilweise bis an die Grenze des Möglichen reduziert. Dass diese Tendenz bis heute kaum an Dynamik verloren hat, be- weist der aktuelle Abbruch des für das Bild der Kolonie so bedeut- samen Landhauses Gerber. Der vollständige Verlust des historischen Baumbestands ist zu befürchten. Da die Gruppe Schwarzkiefern noch zu der Lennéschen Planung gehört und für den nördlichen Abschluss des Villenquartiers an der Höhenbergstraße von höchstem Wert ist, kann ihr Wegfall nur als Katastrophe für die Höhenberg-Kolonie bezeichnet werden. Die geplanten Angriffe auf die Parkanlagen der Villen Carl und Engel- horn lassen befürchten, dass das Ende der Entwicklung noch nicht erreicht ist ... Gerhard Schober, Kreisheimatpfleger, Autor